Das böse Wort mit G - Was nach meinem Artikel zur diskriminierenden Xing-Suche geschah

Lisa Ringen auf einer Steinstatue

Wow, das waren drei sehr dynamische, bereichernde, trubelige Tage. Das erste Mal, dass Marketing Madam und ich als "Bloggerin" namentlichen Erwähnungen in der Presse fanden. Das musste ich erst einmal verknusen!

Eine Nachberichterstattung - Potatoes gonna potate

Ich habe am Dienstag, den 2. Mai, hier auf meiner Seite Marketing-Madam.de einen Blogartikel mit dem Titel „Dummer Algorithmus: als Frau bei Xing gefunden werden“ veröffentlicht der einen ziemlichen Wirbel nach sich gezogen hat.

Ich appellierte in meinem Artikel für eine inklusivere, userfreundlichere Xing-Suche und monierte den "dummen Algorithmus". Außerdem kritisierte ich, dass die derzeitige Suchfunktion die weiblichen Berufsbilder – also Frauen – ausgrenzt und argumentierte, warum eine Überarbeitung wichtig ist. Xing, so mein Plädoyer, muss Verantwortung für den geschaffenen digitalen Raum übernehmen.

Freudige Überraschung und traurige Bestätigung

Nachdem ich meinen Artikel am Mittwoch in der Facebook-Gruppe Digital Media Women und im Querdenkerforum von Xing zur Disposition gestellt, und eine Nachricht über das Kontaktformular an das Team von Xing geschickt hatte, erlebte ich zwei Dinge: Eine freudige Überraschung und eine traurige Bestätigung.

Die freudige Überraschung war, dass Xing umgehend reagierte.
Die traurige Bestätigung: Die Gender-Trolle ebenfalls.

Mein Appell, in dem ich Xing auf die Verantwortung ihres Algorithmus‘ und des geschaffenen digitalen Raums gegenüber hingewiesen hatte, bot im Netz reichlich Stoff zum Diskutieren. Zunächst wurde mein gesamter Case in Frage gestellt, was gut und absolut wichtig ist, schließlich sollte es ja auch darum gehen, verschiedene Perspektiven zu bekommen. Ich las fleißig Kommentare, schrieb hier und da noch etwas mit dazu und freute mich ansonsten über die Dynamik. Mal ging es den Diskutierenden darum, Ideen zur Lösung für eine gerechtere Suche beizusteuern. Andere Menschen konnten sich nicht so recht vorstellen, wie das technisch lösbar sein sollte. Wieder andere zweifelten die generelle Sinnhaftigkeit von Veränderung an. „Warum, ist doch alles in Ordnung, so wie es ist.“ Es war ein Freudenfest der Interaktion.

Xing reagiert auf meinen Artikel

Xing bekam hierbei sein Fett weg, ich bekam mein Fett weg; verschiedene Menschen fühlten sich aus unterschiedlichsten Gründen angesprochen und begannen, bei Facebook, Twitter und auf Xing, ihre Sicht der Dinge beizusteuern. Dass das Ganze dermaßen einschlagen würde, damit hatte ich natürlich nicht gerechnet. Schließlich war ich nicht die erste, die auf den Murks mit der Xing-Suche hingewiesen hatte.

Am Donnerstag fand die Sache mit der ausgrenzenden Suche mediale Aufmerksamkeit und fand parallel im Hamburger Headquarter von Xing Gehör. Wow, welch positive Überraschung!
Alexander von Klopmann, Head of Corporate Communications, erklärte, der Hinweis – eure Suche grenzt aus und sollte überarbeitet werden – sei berechtigt. Er schätzte die Kritik als wichtig genug ein, sein Entwicklungsteam prompt anzuweisen, die Optimierung der Suche von nun an mit oberste Priorität zu behandeln.

Wie cool war das bitteschön?! Und es ging weiter.

Berichterstattungen in der Online-Presse

Am Donnerstagmittag würdigte t3n mit „Xing in der Gender-Falle“ dem Ganzen einen Bericht und verlinkte auf meine Seite. Kurz darauf veröffentlichte Gründerszene mit „Die Xing-Suche benachteiligt Frauen“ einen weiteren Artikel zum Thema. Ich freute mich darüber, da es mir wichtig ist, ein Bewusstsein für die digitalen Räume zu schaffen, in denen wir uns bewegen.

Im Laufe des Freitagabends veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung, die erste klassische Zeitung, einen gut recherchierten Bericht von Larissa Holzki und war somit auch das erste Nachrichtenformat, mit dem meine Familie etwas anfangen konnte. Der Titel lautete: "Suchmaschinen diskriminieren Frauen - Frauen sind im Netz schwieriger zu finden"
Sie schrieb unter anderem: „Wie viele Menschen bei der Suche nach einem Experten lediglich die männliche Berufsbezeichnung verwenden, lässt sich mithilfe von Google-Trends nachvollziehen. Die zeigen: Der Begriff "Architekt" wurde in Deutschland in den letzten zwölf Monaten über 22 mal häufiger via Google gesucht als der Begriff "Architektin". Und weiter:  „Dass die Suchfunktion Männer bevorzuge, sei nicht im Interesse des Unternehmens.“ Xing-Pressesprecher Marc-Sven Kopka wurde zitiert mit:  "Für Nutzer, die bei uns Fotografen suchen, ist es egal, ob eine Frau oder ein Mann für sie fotografiert, Hauptsache die Bilder sind gut." Xing hatte mein Anliegen verstanden und machte sich an die Lösung.
Drops eigentlich gelutscht.

Eigentlich gelutscht, wenn da nicht das eine Thema wäre, bei dem das Internet in Wallung gerät: Diskriminierung von Frauen. Als Genderwahn verunglimpft und lächerlich gemacht. Gerne auch per verächtlichem, organisiertem Mob.

Das böse Wort mit G

Der Ansturm der Gender-Hater auf meinen Blogartikel am Freitagabend war somit sehr vorhersehbar. Bei Gender hört der Spaß auf. Irgendwas Menschliches beginnt bei Geschlechterdiskriminierung auszusetzen.
Dass sich ein wütender Mob rumpelig bis beleidigend in den Kommentaren meines Blogs austoben würde, war für mich eine traurige Bestätigung. Ich habe bewusst nicht interveniert, als sich die sexistische Wutlawine ihren Weg ins Niveau-Tal bahnte.

Potatoes gonna potate.

"Liebe Frauen, selbst schuld. Gruß, Mann"

Wir Frauen sind halt „selbst Schuld“ stellt einer der Kommentierenden stellvertretend für die gesamte Männerwelt fest. Ein bisschen anmaßend, fand ich. Ich möchte kurz festhalten: Niemandem wird oder wurde durch meinen Artikel und Xings Reaktion irgendetwas weggenommen!


Das Gegenteil ist der Fall.

Trauriger Fakt ist: Artikulieren sich Frauen im Internet zu Geschlechtergerechtigkeit, Sexismus oder Diskriminierung, dann ist ihnen der Groll der Gender-Trolle - oder besser Menschen mit frauenverachtender Gesinnung - so sicher wie das Amen in der Kirche. Leider.

Frauen und Frauenthemen „nerven einfach nur noch“. Damit hört es mit der Wut allerdings nicht auf, wie Beispiele aus der Computergaming-Industrie zeigen. Frauen, die hier eine Meinung äußern, werden gerne mal mit Vergewaltigung und dem Tod bedroht.

Ja, das ist er, unser digitale Raum. Definitiv kein Ort, an dem Frauen immer und überall als gleichberechtigt wahrgenommen und behandelt werden. Von der Objektifizierung in Videospielen fange ich lieber gar nicht erst an.

Digitaler Raum und realer Hass

Meine Großmutter bat ich an dem Abend, nicht mehr weiter in den pöbeligen Kommentaren zu lesen. Ich weiß nicht, ob sie in der Nacht gut geschlafen hat, denn der Hass, der dort prangt, ist real.

Paradox doch irgendwie: Überall wird proklamiert, Frauen sollen sich mehr in Digitalisierungsthemen einbringen. Dass die Digitalisierung ein Imageproblem habe und weiblich werden muss, schrieb neulich Die Welt.

Mit meinem Blogartikel zur diskriminierenden Xing-Suche habe ich, zufälligerweise eine Frau, genau das gemacht. Ich habe mich erfolgreich in "die Digitalisierung" eingebracht und möchte alle, die ebenfalls eine Meinung haben, ermutigen, es unbedingt auch zu tun!

Tatsächlich, und das soll Ansporn sein, war es möglich, innerhalb von drei Tagen aus meinem kleinen Homeoffice in Bremen heraus etwas Positives in einem großen, einflussreichen Unternehmen in Bewegung zu setzen! Xing übernimmt Verantwortung für seinen digitalen Raum und will jetzt für faire, geschlechterunabhängige Sichtbarkeit sorgen. Das ist für mich menschenfreundliches Design.

Menschenfreundliches Design - ethical design thinking

Menschenfreundliches Design setzt voraus, dass wir immer auch über die Beschaffenheit dieser digitalen Räume, Systeme, Prozesse usw. nachdenken und hierbei nicht nur mit der technischen Brille oder dem BWL-Kopf draufschauen. Es setzt voraus, dass wir uns darüber streiten, branchenübergreifend fachsimpeln und uns gegenseitig zuhören, wie wir in unserer digitalen Welt miteinander umgehen möchten. Und was die Voraussetzungen sein müssen, damit dies langfristig gelingt.

Diese Unterhaltung – mehr ethical thinking bei der Digitalisierung – ist überfällig.
Jetzt müssen wir sie führen. Ich bin dabei.

Übrigens, dies nur am Rande, es waren drei Damen, denen ich journalistische Aufbereitung des Themas verdanke: Melanie Dahrendorf (t3n), Christina Kyriasoglou (Gründerszene) und Larissa Holzki (Süddeutsche Zeitung)

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Kommentare: 2
  • #1

    Daniela (Donnerstag, 11 Mai 2017 22:15)

    Ich gönne Dir ja Deinen Erfolgsmoment -- leider hast Du den fundamentalen Irrtum aber offenbar immer noch nicht erkannt, und kanzelst jegliche Kritik an Deiner Position schnell als "Gender-Hater" ab, ohne auf die -- durchaus vorhandenen -- Argumente einzugehen.

    Genau der Satz, den Du selbst fett markiert hast, zeigt dies am deutlichsten:

    Der Begriff "Architekt" wurde in Deutschland in den letzten zwölf Monaten über 22 mal häufiger via Google gesucht als der Begriff "Architektin"

    Ja selbstverständlich, was denn sonst? Der Begriff "Architekt" ist eine Berufsbezeichnung. So werden Personen, gleich welchen Geschlechts, bezeichnet, deren Metier die Architektur ist. Eine solche Person kann weiblich oder männlich sein, was aber für die Kategorisierung vollkommen irrelevant ist.

    Der Begriff "Architektin" hingegen beinhaltet sowohl den Beruf (Architekt) als auch das Geschlecht (weiblich). Damit werden explizit männliche Architekten ausgeschlossen.

    Oder anders: meinst Du ernsthaft, dass von 23 Leuten, die jemanden suchen, der ein Haus designen kann, genau einer unbedingt auf Chromosomensatz XX besteht, während 22 unbedingt Chromosomensatz XY wollen? Ist es nicht vielleicht doch so, dass die Qualifikation -- völlig unabhängig vom Geschlecht -- den Ausschlag gibt? Und dass dafür eben der generische Begriff "Architekt" verwendet wird?

    Ich bin übrigens Informatikerin, habe aber keinerlei Problem damit, ggf. auch als "Informatiker" gefunden zu werden. In anderen Sprachen ("computer scientist") stellt sich das Problem von vornherein nicht -- warum muss im Deutschen so ein unglaubliches Bohei darum gemacht werden?

  • #2

    Lisa Ringen - Marketing Madam (Donnerstag, 11 Mai 2017 22:25)

    Hallo Daniela,
    oh, da hast du meine Kritik an der Xing-Suche leider genau anders herum verstanden, als sie gemeint war und seitens Xing auch aufgefasst wurde.

    "Der Begriff "Architekt" ist eine Berufsbezeichnung. So werden Personen, gleich welchen Geschlechts, bezeichnet, deren Metier die Architektur ist. Eine solche Person kann weiblich oder männlich sein, was aber für die Kategorisierung vollkommen irrelevant ist."

    Genau das, was du schreibst, funktionierte bei der Suche nicht und genau das ist doch der Kern meiner Kritik...

    Lieben Gruß

    Lisa